Alice Dee im Interview
Alice Dee veröffentlichte im März den ersten Vorgeschmack auf ihre neueste EP Wildstyles. In dem in Sao Paulo gedrehten Video trifft eine düstere Gedankenwelt auf basslastigen Beat und Storytelling. Die sechs Tracks der EP sind zwischen Beatbox und Grime, Party und Politik, Sao Paulo und Berlin, kollektiv produziert und tanzbar. Ende März folgte dann eine überaus erfolgreiche Releaseparty im Yaam und vor ein paar Wochen war sie dann beim Grimelist Takeover auf Cashmere Radio zu Gast. Wir haben mit der Rapperin aus Berlin über ihre Anfänge, ihr neuestes Werk und Grime in Deutschland gesprochen.
Erzähle uns doch mal kurz wie du zu Rap gekommen bist.
Ich war 12 Jahre alt und voller Wut. So hat es angefangen. Ich kam mir fremd vor. Rap und Musik waren mein zu Hause. Durch das Schreiben konnte ich alles verarbeiten. Meine Stimme benutzt und wirklich gerappt habe ich erst später, so mit 17, als ich von zu Hause ausgezogen bin. Meine Freunde haben hauptsächlich gesprüht und gebreakt und mich dann mit anderen Rappern in Kontakt gebracht.
Die Wildstyles EP ist schon deine dritte EP. Wie unterscheidet sie sich zu den vorherigen Werken?
Diese EP ist in enger Zusammenarbeit mit dem Audio Engineur Andres Camargo Paredes aus Brasilien und Fighty, Beatmaker aus Liverpool, entstanden. Ich war bei jedem Schritt involviert, von Beatmaking, Mixing bis Mastering. Die EP ist ein Produkt von Teamwork, es gibt eine große Vielfalt an Styles, einerseits durch die vielen Features, andererseits durch die Beats. Grime, Dancehall, Elemente des Dubstep und originale Beatbox-Beats wechseln sich ab und trotzdem gibt es einen roten Faden, der sich durchzieht.
Was sind eigentlich Wildstyles?
Mir wurde mal gesagt, dass meine Art zu Rappen „Wildstyle“ sei. Das ist hängen geblieben. Eigentlich kommt der Begriff aus dem Graffiti. Für mich bedeutet es, einen eigenen Stil zu kreieren, egal was andere erwarten, was Trend oder Mode ist. Auf mich bezogen heißt das konkret: ziemlich verspielte und komplexe Styles zu rappen und Beats zu picken.
Auf was möchtest du mit deiner EP aufmerksam machen? Für was steht die "Wildstyles" EP?
Die EP steht für gemeinsam was Machen, für Party, Raven, Politik. Es geht um D.I.Y, Originalität und ein fettes Fuck You an die Industrie mit ihren Verkaufszahlen und Marketing Strategien. Es geht um Crews bilden, um gemeinsame Visionen, um einen Vibe. Mir ist wichtig, was ich sag und wofür ich meine Stimme nutze. Vieles fuckt mich ab. Die Hook von „Babylon“ fasst das gut zusammen: „another world is calling“.
Auf deiner EP sind einige Gäste zu hören. Unteranderem gibt El Grande seine Beatbox Skills zum Besten und man hört portugiesische und französische Parts. Wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Carmel Zoum und ich kennen uns seit ner' Weile, vor allem über gemeinsame Gigs. Es gab eine vorherige Version unseres heutigen Tracks, die hieß „töte den Nazi in dir“. Thema und Beat haben ihr gefallen, und sie meinte „lass gemeinsam einen Song draus machen“, so kam es zu WHDMMZT. Mit El Grande war das so, er hat immer und überall gebeatboxt. Wegen ihm konnte ich zu jeder Zeit freestylen, als dann der Grime Beat kam, wusste ich, das muss auf die EP. Penumbra und ich kennen uns über einen Jugendaustausch. Die Chemie zwischen uns hat einfach gestimmt. Den Song haben wir in 'ner Stunde fertig geschrieben.
Das Video zur Single "Babylon" hast du in Sao Paulo gedreht. Wie kam es dazu?
Wir, also Jacek, der Kameramann, Caliz, die Schauspielerin und ich, waren als Teil einer Gruppe zusammen in Sao Paulo. Wir hatten nichts vorbereitet und nichts geplant. Alles war super spontan. Gedreht haben wir das Video in zwei Nächten. Wie sich dann alles zusammengefügt hat, war einfach pure Magie. Es gibt Szenen da denkst du, wir hätten das beabsichtigt, aber im Endeffekt war es ein Zusammenspiel von uns und dem Augenblick.
Du bist Teil der B2bcrew. Wer seid ihr und was kann man von euch erwarten?
Wir sind eine DJ-/MC Crew aus Hamburg und Berlin, mit Fokus auf HipHop, Bass, Juke, Trap und Grime Musik. Ich bin seit einem Jahr dabei. Neben dem DJing und MCing dreht sich gerade auch viel um's Produzieren. Z.B. haben wir einen Soundtrack gemacht und sind damit in der Volksbühne aufgetreten. Wichtig ist uns vor allem uns zu vernetzen und voneinander zu lernen und das mit anderen zu teilen. Es sind eigene Events und Songs in Planung und vieles, vieles mehr, es wird fett!
Wie vermarktest du deine Musik? Bist du bei einem Label unter Vertrag?
Ich bekomme viel Unterstützung, organisiere letztlich aber alles selbst, heißt: Booking, Marketing, Presse, Videos etc. Bin mein eigenes Label sozusagen. Obwohl mir das viel Freiheit ermöglicht, ist es vor allem viel Arbeit. Vermarktung läuft bis jetzt vor allem über Live Shows, Videoclips und über die Präsenz auf den gängigen Musik und Social Media Plattformen. Ich hab' viele Ideen, aber will mich vor allem auf die Musik konzentrieren, deshalb gibt’s Sachen, die kommen einfach zu kurz.
Beatbox, Grime und Bass gehören nicht unbedingt zu den populärsten Genres. Was fasziniert dich daran und hast du schon einmal darüber nachgedacht deinen Style zu ändern um mehr Leute zu erreichen?
Was mich fasziniert an der Musik ist der Sound, die Geschwindigkeit, die Energie. Du musst dich dazu bewegen, irgendwas machen, oder du lässt die Gedanken schweifen, wenn Sub-Bässe deine Seele massieren und kannst kleine Details und Soundeffekte im Beat entdecken. Für mich hat es was beruhigendes und treibendes, was wütendes und spirituelles zu gleich. Ich habe noch nicht dran gedacht mein Style zu ändern, ich mag viele verschiedene Musikrichtungen und mach einfach das, was sich gut anfühlt.
Grime auf Deutsch ist ein umstrittenes Thema. Es gibt nur wenige deutsche Künstler die auf Grime Beats rappen und wenn, dann hört es sich meist nicht wie das Original aus UK an. Wie siehst du die Thematik?
Die deutsche Sprache hat viel mehr Silben und Konsonaten als die Englische, weshalb es automatisch anders klingt und viel schwieriger ist, ein Text so zu schreiben und zu flown wie in UK. Ob jetzt ein Grime Song auf Deutsch nah am Original ist, oder nicht, ist für mich aber nicht so wichtig, eher die Energie, die dabei rüber kommt.
Was können wir in Zukunft von dir erwarten? Ist ein Album geplant?
Es sind vor allem weitere EPs und Singles in Planung und Kollabos mit anderen Künstlern. Ich freue mich weitere Videos zu veröffentlichen und an Live Shows zu feilen. Es wird wild.
Vielen Dank für das Interview.
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